Der Hambuger Traum, der uns Milliarden an Steuergeldern kostet
Seit 2015 beschäftigen wir uns mit den Aus- und Neubauplänen der Bahn. Zu den wichtigsten Planungsgrößen gehören die Prognosen über den Containerumschlag des Hamburger Hafens. Seit 2012 bis heute träumt man in Hamburg von fantastischen Zuwachsraten, die – wenn sie denn jemals eintreffen sollten – die Ertüchtigung der Bahninfrastruktur in einer geeigneten Weise erfordern.
Sollten diese Prognosen nicht eintreffen, hätte man am Bedarf vorbei geplant und Milliarden an Steuergeldern verbrannt. Sollte das Eintreten der Prognosen aus heutiger Sicht schon deutlich unrealistisch sein, wäre das Fundament sämtlicher Planungen seit 2012 bis heute per sofort hinfällig und bar jeder Grundlage.
Gucken wir uns die tatsächlichen Zahlen und die Prognosen einmal genauer an:
Sichtbar sind die Containerumschlagszahlen von 1991 bis 2015 (blau) und die 2012 erstellte Prognose aus Hamburg für das Jahr 2025, die zum Zeitpunkt des Dialogforum Schiene Nord im Jahr 2015 bereits hanebüchener Unsinn war, wie unschwer zu erkennen ist. Diese Prognose war bereits damals die Grundlage für die sogenannte Y-Trasse, die im wesentlichen den heutigen Neubauplänen der Bahn zwischen Hamburg und Hannover entspricht. Aus dieser Prognose wurde ein Bedarf abgeleitet, der eine neue Trasse zwischen Hamburg und Hannover rechtfertigen sollte.
Wir wissen heute, dass sich exakt der Trend fortgesetzt hat, der sich bereits 2015 auf dem Dialogforum Schiene Nord deutlich abzeichnete. Nichts von dem, was man sich seitens der Bahn und der Hamburger Hafenwirtschaft erträumt hatte, hat stattgefunden.
Im Jahr 2022 war nun selbst dem letzten Optimisten in Hamburg klar, dass die Prognose nicht mehr haltbar war und erneuert werden musste. Die Elbvertiefung war gescheitert und ebenso die Hamburger Bemühungen, auf internationaler Ebene die Größe von Containerschiffen zu begrenzen.
Anstatt der Realität ins Auge zu sehen, kommt nun im Jahr 2022 die folgende irrwitzige Prognose aus Hamburg:
Sichtbar sind die Containerumschlagszahlen von 1991 bis 2022 (blau) und die Prognose aus Hamburg für das Jahr 2035, die zwar im Vergleich zu 2015 dramatisch reduziert worden ist, aber offensichtlich wieder an der Realität vorbei geht.
Siehe auch: Hamburg hält Kurs, Hafenentwicklungsplan 2025, Seite 21
Warum wird der Hamburger Hafen nicht weiter wachsen?
Es gibt viele Gründe, warum der Hamburger Hafen nicht mehr nennenswert weiter wachsen kann. So sind z.B. die Flächen begrenzt, die der Hafen sich noch einverleiben kann. Das größte Problem sind aber die immer größer werdenden Containerschiffe. Die werden nicht nur immer höher, was zu Problemen mit Brücken, wie z.B. der Köhlbrandbrücke führt, sondern haben auch immer mehr Tiefgang und benötigen zum Be- und Entladen einen leicht zugänglichen Tiefwasserhafen. Wir wissen inzwischen, dass die letzte Elbvertiefung gescheitert ist und nicht funktioniert. Hier wurde mit viel Steuergeld eine Naturkatastrophe finanziert – in der Hoffnung, dem Hamburger Hafen einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen (z.B. gegenüber dem Jade-Weser-Port). Hamburg bemüht sich auf internationalem Parkett die Größe von Containerschiffen zu begrenzen – ohne Erfolg.
Die besten Tage des Hamburger Hafens liegen hinter uns. Hamburg ist für große Schiffe schlicht nicht mehr sinnvoll ereichbar und verliert zunehmend im Wettbewerb mit anderen Häfen.
Dazu kommen die zunehmend eisfreien und damit schiffbaren Nordpassagen, die tausende von Kilometern kürzer sind und Direktverkehre von Asien nach und über Russland ermöglichen. Die dortigen Häfen werden davon massiv profitieren – zu Lasten von Hamburg.
Siehe auch: Das erste Containerschiff bewältigt die Nordostpassage, heise online
Warum werden offensichtlich unsinnige Prognosen gemacht?
Die Gründe sind relativ einfach. Die Prognosen kommen aus Hamburg und man macht sich dort ernsthafte Sorgen um den Hafen. Vermutlich hat man sogar echte Existenzängste. Ein anspruchsvolles, aber vielleicht realistisches Ziel wäre, die Umschlagszahlen auf einem Niveau von ca. 10 Millionen TEU zu halten. Ob das gelingen kann, ist jedoch fraglich. Aber klar ist: Hilfreich wäre dabei sicherlich eine günstige und gut ausgebaute Hinterlandanbindung – z.B. eine Naubautrasse zwischen Hamburg und Hannover. Nicht, dass die zusätzlichen Kapazitäten unbedingt benötigt werden, aber die würden dazu führen, dass die Logistikkosten auf der Schiene reduziert werden, was dem Hamburger Hafen zugute käme. Denn auch auf der Schiene bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis. Je mehr Trassen von Hamburg in die Welt führen, desto niedriger die Logistikkosten für die Hafenkunden. So gesehen ist die Neubautrasse eine gewaltige Marketingmaßnahme in Sachen Preispolitik. Wettbewerbsverzerrende Subvention, finanziert von Steuerzahlern. Dadurch werden auch z.B. andere deutsche Häfen benachteiligt.
Es geht also – wie so häufig – um’s Geld. Hamburg möchte diesen Kostenvorteil unbedingt und macht deshalb nach wie vor irrwitzige Prognosen, um damit eine Neubaustrecke zu rechtfertigen.
Die Neubautrasse würde übrigens in erster Linie von Steuergeldern finanziert werden und nicht vom Hamburger Hafen.
In Berlin wird entschieden, dort wird man sich verantworten müssen
Die Interessen in Hamburg sind klar und nachvollziehbar. Da wird getrickst und gemogelt, aber wird dort auch entschieden? Nein, entschieden wird in Berlin. Dort wird man entscheiden, ob man die durch Hamburg vorangetriebenen Pläne umsetzt oder nicht. Und jeder, der dort mit abstimmt oder sich enthält, wird dafür die Verantwortung tragen und sich rechtfertigen müssen.
Es wird niemand sagen können: “Das konnten wir damals noch nicht wissen.” Wir wissen es jetzt schon: Das Fundament für dieses Vorhaben sind frisierte und vollkommen unrealistische Prognosen aus Hamburg. Das weiß sicherlich auch unser Bundeskanzler, der dort als Hamburger ja bestens vernetzt ist.